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27. Januar 2020

Die Welt muss ich verachten, die nicht ahnt, dass Musik höhere Offenbarung ist als alle Philosophie. (Ludwig van Beethoven)

Andacht oder Tanz, so beschreibt Goethe Musik. Für mich ist sie beides gleichzeitig. Der Tanz ist das Kind der Musik und der Liebe. Ich habe Ohrwürmer von den Beethoven-Orchesterwerken dieser Woche, als hätten sich diese in mich eingebrannt. Es ist sehr schön, Klavierkonzerte mit Orchester zu spielen, und es hat auch seine Vorteile, solo zu spielen. Aber mit Orchester: Dass der Flügel ein verselbständigtes Individuum ist, habe ich umso mehr erkannt. Ein Klavier nimmt seine eigene Rolle im Gesamtgeschehen ein. Es erkämpft sich seinen Freiraum in einem ideologischen System. “Aber ich kann den Geist der Musik nicht anders fassen als in Liebe” (Richard Wagner).

Ein Vermittlungskonzept ist für mich etwas enttäuschend, wenn es um Show und Selbstdarstellung des Moderatoren, der Moderatorin geht, zumal dies auf Kosten der Musiker hinausläuft: Mir wurde in die Musik geredet, der Klang-Deckel zugeklappt mitten im Spiel, Stücke verkürzt, mein Name sollte verändert werden in Richtung Elise, wogegen ich mich wehrte, und musste Dinge sagen, hinter denen ich nicht stand, und zwischendurch spielen – nicht für Beethoven oder für die Kids, sondern ich musste mich für die Moderatoren “zum Affen machen”, oder besser: Es wurde über mich und den Flügel verfügt als wäre ich eine weitere Requisite auf der Bühne. Die Moderatorin wollte den Flügel aus der Mitte in die Ecke verbannen, was die Orchesterwarte verhinderten. Ich glaube, meine Ideen sind besser, denn die Musik sollte im Mittelpunkt stehen. Die Diskrepanz zwischen der Schönheit der Musik und dem Theater darum herum war für mich nicht leicht zu ertragen. Die Vermittlung deckte sich nicht für mich mit der Realität hinter der Bühne. Wäre Beethoven nicht davon gelaufen vor diesem Konzept? Ich schämte mich Beethoven gegenüber. Auch der verkleidete Beethoven war für mich das Klischee pur: Der wirre, griesgrämige Beethoven in Perücke. Nicht die Kinder vermitteln verlorengegangene Kultur, sondern in meinen Augen die, die solche Konzepte “hervorragend” finden oder verlangen. Offensichtlich waren die Konzepte früher ganz anders und besser. Man muss sich erst kennenlernen, wie weit man zu gehen bereit ist. Ich bin gespannt, was das Filmteam aus Tokio daraus gemacht hat.

Klautern und Saarbrücken… Leider hatte ich keine Zeit, die Orgeln in Kaiserslautern kennenzulernen. Aber vom Hotel SAKS am Stiftsplatz aus konnte ich oben im schönen Spa-Bereich in der verglasten Dach-Sauna die Stiftskirche und die kleine Skyline der Stadt sehen als warmen Kontrapunkt zur Kälte der Kirche. Ob es stimmt, dass katholische Kirchen um zwei Grad kälter sind als evangelische Kirchen? Christkönig war kalt, die Basilika jedoch angenehm warm. Es ist interessant, mit anderen Organisten und Musikern über PR zu reden. Das Frühstück im Hotel Leidinger Saarbrücken fand ich übrigens viel besser als im SAKS Kaiserslautern, dafür haben die einen Spa-Bereich.

Ich habe die flockigen, flauschigen Flöten der Schuke-Walcker-Orgel noch im Ohr, wie Kolibris, dazu die klagenden, sanften Zungen, die blubbernden Solostimmen, waldromantisch, die tiefen Stimmen ehrwürdig und gutmütig, die gelassenen und ausgelassenen Prinzipale, elegische Streicher, die wie in einer Gondel schweben. Tapsige Klänge, Pfeiler-Klänge, Signalfarben, bewegliche, durchdringende und strahlende Klänge, alles verbunden.

Sehr empfehlen kann ich den Zoo Saarbrücken. Da es Mittagszeit war, konnte ich die Fütterungen der Pinguine, der Schlangen, der Seehunde und der Giraffen beobachten. Sehr gefiel mir das Tier “Das wandelnde Blatt”. So etwas habe ich noch nie gesehen. Es fraß. So auch die Lisztaffen mit ihren empörten Gesichtchen. Sehr eindrücklich war meine Begegnung mit einer Giraffendame. So nah war ich noch nie an einer Giraffe. Sie betrachtete mich neugierig, verdutzt und schüchtern mit ihren warmen, mandelförmigen, riesigen, dunklen Augen. Nur ein schmales Gatter war zwischen uns. Ich war aus Versehen auf einen verbotenen Weg abgebogen.

Mir gefielen auch die Heu kauenden Tapire. Der ganze Zoo futterte. Natürlich war ich auch im Streichelzoo bei den Ziegen, auch wenn gewisse männliche Zungen fragten, ob dies ein “Verwandtenbesuch” sei, und “so eine Spezies wie mich hätten sie noch nicht angetroffen”. Die tanzenden Seehunde und schnatternden Pinguine gefielen mir.

Ich muss meine Meinung von Frauen und Männern etwas revidieren. Frauen sind zwar weniger bedrohlich, aber sie können genauso gemein sein, so dass das Ergebnis recht identisch ist. Das Problem ist, dass sehr viele Frauen nicht wie Männer zusammenhalten. Es ist zu wenig Zusammenhalt unter Frauen da, sondern das ewige Kreisen um den Mann. Viele Frauen tendieren im Ernstfall dazu, sich an Männer zu halten. Frauen trauen Frauen nicht. Wie fatal. Es sind die Hormone, die Frauen vorgaukeln, bei Männern sicherer zu sein. Frauen agieren aktiv hintenrum gegen andere Frauen. Männer lügen meist aus Feigheit und Bequemlichkeit, aber Frauen lügen aus Angst, weil sie sich an die Welt der Männer anpassen und diesen gefallen wollen. Das Ergebnis ist leider gleich schlecht. Vernunft und Erkenntnis können über Hormone siegen. Höfliche, nette, schmeichelnde, charmante Männer bieten genauso wenig Sicherheit wie arrogante, abstoßende, gefährliche. Wie lange missbilligen Frauen sich gegenseitig noch immer aufgrund von Illusionen?

Ich mag die Orchesterwerke von Genzmer.

Nicht sonderlich empfehlen kann ich den Roman “Jesus liebt mich”. Er ist zwar lustig auf den ersten 20 bis 30 Seiten, flacht dann aber aus meiner Sicht sehr ab und wird dümmlich. Außerdem hat das Buch so eindeutig ein Mann aus der Pseudo-Sicht einer Frau geschrieben, dass ich mich überhaupt nicht identifizieren kann. Vielleicht wären Frauen aber gern so cool wie dargestellt…

SWR-Studio Kaiserslautern

Eine Antwort auf “27. Januar 2020”

  1. Andreas Friedrich

    Hallo Ann-Helena, herzlichen Glückwunsch zum erfolgreichen Verlauf deiner Konzertwoche beim WDR und SR. Dein heutiger Blog spricht mir aus der Seele. Klassische Klavier- und Orchestermusik dargeboten als Show und Selbstdarstellung geht gar nicht. Doch in unserer Zeit dreht sich alles nur um Vermarktung, Selbstdarstellung … Geldverdienen um jeden Preis. Ich bin total überrascht und geschockt? Ein Beethoven-Konzert mit Moderation? Nun gut, eine kurze Einführung zu Beginn –o.k.. Aber das, was du hier beschreibst… Mit Ewigkeit und ansprechendem Niveau hat das alles nichts mehr gemeinsam. Einfach Spaß und Trallala. Ich hörte, dass ein Rapper die 9. Sinfonie von Beethoven (Ode an die Freude) „modernisierte“. Was hältst du denn von so etwas? Wenn ich eine Operninszenierung, eine Ballettaufführung oder ein Konzert besuche, möchte ich den Hauch der „Schöpfer“ spüren. Das Zitat von R. Wagner: `dass man den Geist der Musik nicht anders fassen kann als in Liebe`, hast du treffend ausgesucht. Da ich deine Ernsthaftigkeit und Gewissenhaftigkeit in musikalischen Fragen schätze, weiß ich wie sehr dich diese Art „Show“ irritierte. Darum wünsche ich dir etwas Erholung und schöpferische Gedanken für deine musikalischen Vorhaben bei dir zu Hause in Würzburg. Übrigens das Insekt „wandelndes Blatt“ durfte auch ich bereits im Zoo bestaunen. Wunderbar deine Eindrücke vom Besuch des Zoos in Saarbrücken. Als Naturmensch liebe ich Tiere. Der Leipziger Zoo gefällt mir besonders. Und jetzt wieder zurück in mein Buchprojekt „Lebenssichten“. Danke für deine stets gelungenen und inspirierenden Blogtexte. Andreas

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