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7. Dezember 2019

Musikalischer Impuls 4:

Erkenntnis, Interpretation, Disposition und Improvisation

Genius ist Obsession. Ob Musik eine Art Droge sein kann?

Ich glaube nicht, da Tiefe, Vernunft und Werte in der Kunst liegen. In dem Buch Die Orgeln J.S. Bachs und bei Klinda lese ich viel über unterschiedliche Dispositionen der Thüringer Orgeln, der Orgeln aus Sachsen und der norddeutschen Orgeln. Ich meditiere über diese, wie was zusammen klingt, was wie begleitet werden kann und wie die Orgeln aufgebaut sind, wo welches Werk positioniert ist, wo die Streicher sind, wo was ineinandergreift, wie aufregistriert werden kann, welche Werke korrespondieren, wie die Orgel proportioniert ist – da mir die Registrierungen zu Bachs Orgelwerken wichtig sind (nicht nur 8-4-2-Mixtur…).

Da sind zum Beispiel die Johanniskirche in Lüneburg, Naumburg, die Kirchen und Orgeln in Dresden und die große Trost-Orgel in Waltershausen bei Gotha von 1730, die Bach eventuell kennengelernt hat (er arbeitete hier bereits 8 Jahre in Leipzig). Es ist für mich spannend, Dispositionen zu meditieren und einen Orgeltyp mit einem anderen (den ich schon kenne) zu vergleichen. Der Unterschied zu den Orgeln Mitteldeutschlands und den norddeutschen (und sowieso süddeutschen) ist groß. In Waltershausen gibt es im Hauptwerk sechs Achtfüße und einige Streicher und Schwebung. Mit diesen Streichern und vielen Acht- und Vierfüßen kann man neue Farben kreiert.

An norddeutschen Orgeln gibt es keine Streicher und keine Möglichkeit, viele Achtfüße zusammenzuziehen, im Gegenteil, dies ist zu vermeiden. Wenn man Dispositionen nicht meditiert, können schöne Orgeln sehr schnell sehr schlecht klingen. Man kann an Dispositionen natürlich nicht alles und vieles nicht erkennen: Man kann beispielsweise nicht ablesen, ob die Mixtur eine Terz hat oder nicht.

Jede Mixtur ist ein Unikat. Waltershausen hat eine tiefe Mixtur. Jedoch erst am Repetieren einer Mixtur ist zu erkennen, wie tief oder hoch eine Mixtur wirklich ist. Waltershausen besitzt sehr viele Grundregister vieler verschiedener Bauarten. Neobarocke Orgeln werden heute mit zu vielen Aliquoten gebaut.

Waltershausen besitzt sogar einen Geigenprinzial, eine Art Koppel, obwohl dies eigentlich ein Registerzug für die Romantik ist, wie viele sagen, dazu viele weiche Flöten, eine überlassene, spuckende Traversflöte, ein Nachthorn als milde Quintadena (immer gedackt), Blockflöte und Gemshorn.

Wichtig ist, nie zu vergessen, dass man bei einer Orgel Flächen zum Klingen bringen muss (Koppeln) und dass Orgelspielen ein Spielen in Räumlichkeiten ist. Dass man im Resonanzkörper der Orgel sitzt.

Ich beschäftige mich auch mit Eggebrechts Orgelbewegung von 1967. Erstaunlich ist, dass dieser berühmte Forscher von “wahrheitsgemäßen, gültigen und vorbildlichen Orgeln” spricht und damit bestimmte Orgeln abwertet und nicht den Schaden der Orgelbewegung erkennt. Die Frage der Orgel ist noch immer nicht geklärt. Natürlich hat die Orgelbewegung auch Gutes und Nachdenken bewirkt. Aber eben nicht nur.

Dabei gibt es so viele spannende Orgeln: Auch die neue Klaisorgel in Würzburg mit lieblicher Cytharra (Streicher), Physharmonika und ihrem Windschweller, Holzharmonika, Harmonium und dass man die Windzufuhr komplett von 0-9 einstellen kann, fasziniert mich. Hier zu improvisieren und dabei einfach die Orgel “machen lassen”, ohne Melodien, ohne konkreten harmonischen Plan, sie einfach klingen (oder nicht klingen) zu lassen, mal wie ein Schlaginstrument, mal wie Frösche eines Akkordeons…

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